Die Hofburg, dem politischen Zentrum Österreichs, welche bislang am
brisantesten durch Thomas Bernhard zum Austragungsort einer
gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung wurde, wird häufig von Anhängern
verschiedenster politischer Gesinnungen und auch aus unpolitischen Anlässen als
geschichtsträchtiger Veranstaltungsort genutzt. Zur Premiere der Art Vienna
wollte sich Künstler und Kurator Georgij
Melnikov auf das Gebäude mit all seinen gesellschaftsrelevanten
Gesichtspunkten beziehen. Unser Kulturerbe, unser gelebter Alltag, setzt sich
aus unzähligen fremden Einflüssen zusammen, mit Elementen, welche zum Zeitpunkt
ihrer - manchmal sogar räuberischen - Aneignung als begehrlich oder nützlich
schienen. So kam zum Beispiel der Teppich durch Kreuzzüge nach Europa.
Heutzutage findet man ihn vorwiegend auf Böden, wobei er anfangs (oder in den
Niederlanden bis vor kurzem noch oft) als Luxusgut auf Wänden oder Tischen
platziert wurde. Bei Staatsempfängen, Bällen und Pressekonferenzen werden in
der Hofburg Teppiche ausgerollt, die nur einmal Verwendung finden. Melnikov lud
die präsentierten Künstler ein, einige jener Läufer, die tatsächlich bei in der
Hofburg stattgefundenen Events eingesetzt wurden, als Metaebene für diese
Ausstellung zu verwerten. Das Video mit dem Titel “Stockholm Syndrom” des aus Serbien stammenden
Künstlers Milan Mladenovic beschwört
die zahlreichen und komplexen Verflechtungen der österreichischen Eingriffe auf
den Balkan und die ambivalente Haltung einer Diaspora in Österreich, zwischen gegenseitiger
Verbundenheit und Verachtung, herauf. Das Datum, das auf dem Kalender im Video
aufscheint, ist der 2.Juli 1914, der Tag, mit dem ein Brief Kaiser Franz Josefs
an Kaiser Willhelm II. datiert ist, in dem er die gezielte Schwächung des
damaligen Serbiens empfiehlt, da er eine von Serben und Russen initiierte panslawistische
Entwicklung befürchtete. In den Liebkosungen die der Künstler der Büste Kaiser
Franz Josefs schenkt wird der oben genannte Zwiespalt zum Ausdruck gebracht. Sophia Süßmilch lotet auch in dieser Arbeit via Nacktheit Grenzen aus und evoziert
damit simultan Verwundbarkeit und Potenz. Die Spannung, die der ironischen
Distanz und aggressiver Nähe entspringt, entfaltet sich zur schmerzlichen
Komik. Mit dieser Arbeit lenkt sie den Blick auf die frivole Seite der
Hofburg’schen Festlichkeiten. Die körperlich anmutenden Elemente im Bild
scheinen sich den Enthusiasmus, der auf Feierlichkeiten in der Luft liegt,
einzuverleiben, nur um ihn mittels eines Berstens dieser wieder zurückzugeben. Das Symbol und zugleich
narrative Konstante des Künstlerkollektivs We
Productions, bestehend aus Anny Wass
und Gert Resinger, welches sich aus dem doppelten und verdrehten Einsatz
des englischen Wortes “WE” zusammensetzt, ist beabsichtigtes semiotisches
Dynamit. Die Unmittelbarkeit, mit der ein Vergleich mit einem Hakenkreuz aufkommt,
scheint die subtil-schlaue Farce, mit der die Salonfähigkeit einer
menschenverachtenden Haltung Zentimeter für Zentimeter erschlichen wird, zu entblößen.
Die Zwillingsteppiche, die sie für die Ausstellung bearbeiteten spielen beide
mit Konnotationen, die von den Begriffen Wasser und Blut hervorgerufen werden,
eines dicker als das andere, sich in reichen Ländern befindende Pools, das in
Sicherheit führendes Überqueren von Gewässern, etc. HC Playner spielt in ihren Arbeiten (und ihrem Künstlernamen) mit
Begriffen wie Vaterlandsliebe und nationalem Zugehörigkeitsverständnis als sich
anbietende, mögliche Säulen der indiviuellen Identitätsbildung und dem extremen
Ausdruck dessen. Durch eine Überspitzung, die in solcher Form bei bestimmten
Gruppierungen - dort allerdings allen Ernstes - durchaus vorkommt, hebt sie die
gewisse Lächerlichkeit und Holprigkeit, mit der so ein Selbstverständnis
zusammengebastelt wird, hervor. Statt gänzlichen Verzicht auf Differenzierung
wird demonstriert, wie diese auf einer größeren Skala stattfinden kann, wenn
man aufgrund der kollektiv geschürten Ängste den Schutz innerhalb einer Gruppe
sucht. Der sich auf einem Wappen befindende Text stellt der allzu absuren
Realität mit dem beschriebenen fiktiven Splatter Szenario einen noch absurderen
Ausbruch aus dieser gegenüber. Alfredo
Barsuglia’s Arbeit oszilliert - wie in seinem gesamten Oeuvre - zwischen
Illusion und Realität. Mit der Vorgehensweise eines Filmregisseurs arrangiert
er Spuren, die in dieser Arbeit auf eine fiktive Gewalttat oder einen Unfall
hinweisen. Der Teppich wird mit dem recht großen Brandloch, einem teils
verkohltem, umgefallenem Stuhl und einer mit Blut verschmierten Glasscherbe als
Tatort inszeniert und veranschaulicht mit solch einfachen Mitteln, das selbst
banalste Alltagsgegenstände zu potenten Trägern von Geschehenem avancieren
können, die in weiterer Folge eine unheimliche Ladung vergangener Begebenheiten
mit sich tragen. Der von Livil (Oliver
Hölzl) entwickelte Teppich, auf
dem ineinander verkeilte Adler, die er diversen Fahnen und Epochen entnommen
hat, gezeigt werden, thematisieren einerseits das paradoxe Phänomen des international
vernetzten Nationalismus sowie den Adler selbst als historisches und gegenwärtiges
Symbol nationaler Macht. Auf seiner zweiten Arbeit ist das World Press Photo
2017 abgebildet, welches ein randvoll mit Flüchtlingen besetztes Boot von oben
darstellt, und mit der Bootsnase nach unten zeigend an die Wasserrutsche im
Prater erinnern mag, was wiederum mit der fehlenden Empathie des Westens dem
Problem der Fliehenden gegenüber resoniert. Adele Razkövi dokumentiert mit dem von ihr verarbeiteten Teppichs
die gegenwärtigen Donnerstagsdemonstrationen sowie spezifisch die
Demonstrationen die durch den Akademikerball hervorgerufen wurden. Das dem
Teppich entnommene motorbetriebene Stoffmobile, welches über der verbleibenden
Teppichfläche schwebt und ziemlich viel Raum in Anspruch nimmt, reflektiert
ihren gewohnten medienübergreifenden Zugang, der Grafik, Malerei, Objektkunst,
Installation, Fotografie sowie experimentelle Videos umfasst. Super Nase & Co. betiteln auch in
dieser Ausstellung ihre Werke mit “This is not ...”, wobei genau diese Negation
des offensichtlichen Inhalts des Werkes erstens eben jenen unterstreicht und veranschaulicht
zweitens Versuche, die eigenen Aktionen mit gegenteiligen Behauptungen einfach
wegzuschwätzen – wie sich zB. auf politischer Ebene häufig bezeugen lässt. In
“This Is Not Ćilim” wird diese spezielle Webart als Analogie für die
Wechselwirkung zwischen den kulturellen Einflüßen in Österreich und die
subjektive Haltung dazu reflektiert. In “This is not Schlagender
Burschenschafter” schlägt eine wie
eine Burschenschafter gekleidete Person mit einem Staubteppichklopfer auf einen
Akademikerballteppich ein, um diesen von Schmutzpartikeln zu befreien. Das ist
keinesfalls eine Anspielung auf mehr oder weniger unglaubwürdige Imagepolitur. Veronika Suschnig’s Teppiche beziehen sich mit den Zuckerglasur-artigen Verzierungen
auf die Zuckerbäckerstiege, über welche sowohl Sohn als auch Mann von Maria
Theresia, mit oder ohne “Gspusi”, von den Bällen flüchteten. Persönliche
Berührunsgspunkte mit sexuellen Übergriffen auf der Ballkultur, die von einer
Schlägerei zwischen zwei Männern zwecks Anspruchsklärung auf die Künstlerin und
das Begleiten derselben bishin zu einer Vergewaltigung einer ihrer Freundinnen
reichen, werden durch das Abbilden verschiedener sexuell geladener Szenarien
und Symbole illustriert. Nach längerer Recherche wurde sich die Künstlerin der
Häufigkeit solcher Vorkomnisse – speziell auf Bällen - bewusst. Anna Vasof’s Vorgehensweise benutzt
Witz und Unfug als allgemein verständlichen Wesenszug in ihren Arbeiten. So
schlägt sie ihren Kopf gegen Gegenstände, in einer älteren Arbeit waren es
Denkmäler, in diesem Fall sind es Sektgläser. Der Klang, der dabei erzeugt
wird, wird von ihr in einem simultan verschiedene Aufzeichnungen widergebenden
Video zu einem Lied orchestriert.
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